Seilerei - Hanf Museum

Seilerei

Seilerei von der Zeit Karl des Grossen bis zur Industriellen Revolution

Das Seil, ein Gegenstand den Jede (r) von uns kennt und den Jede(r) von uns schon einmal benutzt hat. Doch welche Entwicklung es genommen hat und welche Bedeutung es für uns Menschen hatte, ist leider nur noch den wenigsten bewußt. Dabei war doch das Seil im Mittelalter allgegenwärtig. Es hing in jedem Brunnen, um daran den Eimer hinab- und hinaufzulassen. Es hielt die Steine, die teilweise große Höhen überwinden mußten, um Kathedralen, Türme, Burgen und befestigte Städte zu bauen und es ermöglichte erst die Schiffahrt. Was wäre aus einer Handelsstadt wie Venedig geworden, wenn sie nie etwas von Seilen, Tauen und Wandten erfahren hätte oder aus Fischern, die nicht wußten, woraus Netze zu fertigen ? Das vermutlich älteste Seil, das schon gut seine 3300 Jahre hinter sich hatte, fand man 1924 in Ägypten.

Spätestens im Mittelalter war das Seil schon ein ganz normaler Gebrauchsgegenstand, der meist aus Hanf oder Flachs hergestellt wurde. Der Beruf des Seilers selbst war zu dieser Zeit sehr angesehen und viele Lieder handelten über ihn und die Männer seiner Zunft. Leider sind uns viele von ihnen heute unbekannt, aber sie werden Wohl denen aus dem 19 Jh. sehr ähnlich gewesen sein.

Das Seilerlied

Immer lustig, immer Munter
Ist der Seiler ihr Gebrauch
Bahne rauf und Bahne runter.
Jede Arbeit hat ihr´n lauf.
Schon gefärbt sind uns´re Wangen,
Jedes Mädchen hat uns gern,
Jede wartet mit Verlangen,
Jede möcht ein´n Seiler gern.
Wenn noch alles liegt im Neste,
wissen Seiler nichts davon.
Da sind sie schon ganz taktfest,
Auf der Bahn spinnt man schon.
Auf der Bahn spinnt man wirklich
Bald auf kurz und langes Maaß
Da liegt Schuster, Schneider, Töpfer
Alles noch im tiefen Schlaf.
Unser Handwerk geht nicht unter,
Seiler müssen immer sein.
Drum seid lustig Brüder und munter,
schenkt volle Gläser ein,
Trinkt mit mir, Ihr lieben Brüder
Legt eure sorgen nieder,
trinkt aus, schenkt neu ein,
Seiler müssen immer sein.

Seilerei im Mittelalter


Der Arbeitsplatz eines Seilers war auf der Seilbahn, auch Reeperbahn genannt. Zu dieser Zeit war an jedem Hafen mindestens eine mit Längen von 80-240 Metern, egal ob der Hafen nun an Ozeanen, an Flüssen oder an großen Seen war. So wurde der Seiler auch immer dargestellt: Auf der Seilbahn und den Bauch mit dem Hanf, den er zur Herstellung der Seile benötigte, umwunden.

Im ersten Arbeitsschritt stellte er aus seinem Rohmaterial eine Litze her. Dies geschah zuerst noch per Hand, aber schon setzte sich das äußerst praktische Seilrad durch. Bei dieser Tätigkeit wurden mehrere Faserstränge solange gedreht, bis sie zu einzelnen, dickeren Strängen wurden. Damit sich diese nicht untereinander verhedderten, wurden in einigem Abstand Seilböcke aufgestellt. Ein Gerät, das dem Ende einer Harke, die auf einem Bock befestigt wurde, ähnelt. Das Verdrehen der Faserstränge geschah mit der Hilfe des Seilgeschirrs, in das die Fasern eingehängt wurden.

Je stabiler ein Seil sein sollte, desto mehr Litze benötigte ein Seiler und so legte er manchmal Kilometer zurück, um ein langes und reisfestes Seil herzustellen.

Wenn die Stränge dann so stark verdreht waren, daß sie sich beinahe von selbst verfilzten, fixierte der Seilmacher den Nachschlitten.

Nun begann die eigentliche Kunst des Seilmachens: Der Seiler schob das Leitholz auf das Seilgeschirr zu, so daß sich die Stränge dahinter durch ihre eigene Spannung verdrehten, und zwar in die entgegengesetzte Richtung, in der sie selbst verdreht waren. Das ist der Grund, warum sich Seile nicht von alleine aufdrehen.

Nach und nach wurden auch schwere Seilgeschirre entwickelt, die mit Zahnrädern angetrieben wurden und es so ermöglichten noch stabilere Seile herzustellen.

Seiler zur Zeit der Industriellen Revolution

Die Automatisierung von Arbeitsschritten, wie sie zu Beginn des 19. Jh. durch die Industrialisierung geschah, ging fast spurlos an der Seilherstellung vorüber. Seile wurden weiter so hergestellt wie man es von früher kannte. Nur die Vorverarbeitung des Rohstoffes Hanf, also das Brechen und Rösten der Hanfstengel wurde bald maschinell erledigt. Aber ansonsten verlor das Handwerk (vorerst) nichts an seiner Bedeutung.

So schrieb auch Carl Heidendorf 1834 in seinem Buch “Das goldene Ehrenbuch der Gewerbe und Zünfte”:

Fast kein Stand kann der Seiler- Arbeit entbehren. Am mächtigen Ankertau liegt das gewaltige Schiff, und am dünnen Bindfaden läßt der Knabe seinen papierenen Drachen steigen. In jedem Haus ist des Seilers Arbeit anzutreffen, und nur wenige Geschäfte könnt ihrer ganz entrathen… Ungeheuer ist der Verbrauch von Seilarbeit, die Schiffarth erfordert eigene Vorrichtungen zu ihrem Bedarf; das Kriegswesen erfordert ungemein Qualitäten von Seilen und Stricken; im Handel werden zum Packen Stricke und Schnüre gebraucht, das Fahrwesen bedarf derer deren in bedeutender Menge und verschiedener Qualität.

Erst zum Ende des 19 Jh. nahm auch in der Seilherstellung die Nutzung von Maschinen verstärkt zu. Die alte Kunst der Seiler verlor immer mehr an Bedeutung und geriet spätestens zu Zeiten des Wirtschaftswunders samt ihrer Naturrohstoffe Hanf und Flachs fast vollkommen in Vergessenheit. Heutzutage gibt es nur noch wenige, die dieses alte Handwerk praktizieren und es werden immer weniger.